Ort & Kontext
Am nördlichen Rand des Tschernobyl-Kraftwerkskomplexes, unweit der unfertigen Reaktoren 5 und 6, stehen zwei halbfertige Kühltürme – Monumente eines abgebrochenen Zukunftsprojekts. Der Bau begann Anfang der 1980er-Jahre und wurde nach der Katastrophe von 1986 eingestellt. Die Betonringe, rund 120 Meter hoch, markieren den Punkt, an dem die Expansion des Kernkraftwerks jäh endete
(Wikipedia,
Chernobyl.one).
Im Inneren eines dieser Kühltürme befindet sich das monumentale Wandgemälde des australischen Straßenkünstlers Guido van Helten – ein überdimensionales Porträt eines Arztes, der während der Katastrophe Opfer versorgte (Chernobyl.one, Urbex.nl). Das Werk entstand 2017 im Auftrag des ukrainischen Kulturministeriums und der UNESCO als Teil eines internationalen Kunstprojekts zur Erinnerung an die Reaktorkatastrophe.
Die Vorlage des Gemäldes stammt von einer Fotografie des legendären sowjetischen Pressefotografen Igor Kostin (1936–2015). Er war einer der ersten, die den Unglücksort nach der Explosion dokumentierten, und riskierte dafür wiederholt seine Gesundheit. Kostins Bilderreihe wurde 1986 mit dem World Press Photo Award in der Kategorie „Science & Technology Stories“ ausgezeichnet; 1989 erhielt er einen weiteren Preis in der Kategorie „Nature Stories“. Er verstand seine Arbeit als Mahnung: „Meine Fotos zeigen die Geschichte, sind aber auch eine Gebrauchsanweisung für die nächste Generation.“
Zwischen Beton, Moos und Wind erhebt sich das Porträt still und überlebensgroß. Die Tropfen, die von der Decke fallen, hallen wie Sekunden eines langsamer werdenden Herzschlags. Das Kunstwerk verwandelt industrielle Architektur in ein Denkmal der Menschlichkeit – eine Hommage an jene, die halfen, während die Welt schwieg (Chernobyl.one).
2017 trat ich in den Turm. Der Klang meiner Schritte mischte sich mit dem Echo der Tropfen, und über mir blickte das Antlitz des Arztes in die Höhe – nicht heroisch, sondern erschöpft. Dieses Kapitel meiner Serie hält den Moment fest, in dem Kunst, Erinnerung und Architektur zu einem einzigen Raum verschmelzen.
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