Ort & Kontext
Unweit der gewaltigen Duga-Radarantenne liegt das kleine Areal von Chernobyl-2 – einer abgeschirmten Militärsiedlung, die das Personal der Anlage beherbergte. Neben Kasernen, Schule und Versorgungseinrichtungen verfügte die Anlage auch über ein Kino und eine Turnhalle. Beide Gebäude dienten der Freizeitgestaltung und physischen Ausbildung der dort stationierten Soldaten und Familien
(Chernobyl.one,
Urbex.nl).
Chernobyl-2 war nicht nur eine militärische Einrichtung, sondern eine autarke, abgeschlossene Stadt mit rund 1.000 Einwohnern. Das Kino bot sowjetische Spielfilme und Kulturprogramme; die angrenzende Turnhalle wurde für Sport, Paraden und gesellschaftliche Veranstaltungen genutzt (Quelle). Zwischen Sportgeräten und Projektor standen Alltag und Disziplin Seite an Seite – ein kleiner Versuch, Normalität in einem geheimen Umfeld zu bewahren.
Mit der Katastrophe von Tschernobyl wurde auch Chernobyl-2 evakuiert. Die Leinwand des Kinos blieb schwarz, die Turngeräte verrosteten in der feuchten Luft. Auf den Holzbänken liegen heute Laub und Staub, das Licht fällt durch geborstene Fenster wie durch Bühnenvorhänge. In der Sporthalle erinnern verblasste Banner und Slogans an den Stolz einer vergangenen Zeit (Urbex.nl).
Die beiden Gebäude bilden heute ein seltenes Ensemble aus körperlicher und kultureller Erinnerung: der Versuch, Disziplin und Geist zu stärken – und der sichtbare Beweis, wie beide vom Schweigen verschluckt wurden. Der Geruch von Holz, Metall und Moder liegt in der Luft, während die Zeit in Schichten auf den Boden fällt (Chernobyl.one).
2017 stand ich in der Turnhalle – Lichtstrahlen trafen auf ein zurückgelassenes Basketballfeld, die Farben der Wand blätterten ab wie Filmrollen. Im Kino daneben hing die Leinwand noch, fleckig und still. Es war, als hielte der Ort den Atem an – ein stilles Echo von Bewegung und Geschichte, eingefroren zwischen Disziplin und Erinnerung.
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